In einer Welt, die sich zunehmend den Herausforderungen des Klimawandels stellt, zeigen einige Städte, wie klimaresiliente Konzepte urbanes Leben transformieren können. Durch die Integration von Grünflächen, Schwammstadt-Prinzipien und nachhaltigen Infrastrukturen bekämpfen diese Städte urbane Hitze und fördern die Biodiversität. Diese Maßnahmen verbessern nicht nur die Lebensqualität ihrer Bewohner, sondern setzen auch neue Standards für die Anpassung an und den Kampf gegen den Klimawandel in urbanen Räumen weltweit.
von Valentin Gauß
Lesedauer 11 Min.Das Zeitalter der Städte hat begonnen. Im Jahr 2008 lebten weltweit erstmals in der Menschheitsgeschichte mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Laut Vereinten Nationen leben im Jahr 2023 etwa 4,6 Milliarden von insgesamt acht Milliarden Menschen in Städten. Das entspricht 57 % der Weltbevölkerung. Prognosen gehen davon aus, dass bis 2030 weitere 600 Millionen Menschen in Städte ziehen werden. In Deutschland lebten im vergangenen Jahr etwa 78 Prozent aller Einwohner in urbanen Gebieten. Dieser stetige Sog in die Städte bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich, z. B. die Intensivierung des Drucks auf die Infrastruktur, Wohnraum und Ressourcen, sowie Fragen der Nachhaltigkeit und Lebensqualität.
Schwitzende Städte
Mit der Zunahme der städtischen Bevölkerung verschärfen sich Umweltbelastungen wie Luftverschmutzung und der Verlust von Grünflächen. Diese Entwicklung führt nicht nur zu einer Verschärfung ökologischer Herausforderungen, sondern auch zu zunehmenden sozialen Spannungen. Besonders spürbar werden diese, wo der verfügbare Wohnraum knapp und die soziale Ungleichheit offensichtlich wird. Auch in Deutschland spiegeln sich diese globalen Trends wider. Städte wie Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart und München, die weiterhin Zuzug verzeichnen, sind betroffen. Die weltweite zunehmende bauliche Verdichtung trägt zum Phänomen der urbanen Wärmeinseln bei. In Städten, in denen Beton und Asphalt dominieren, wird die Sonnenwärme intensiver absorbiert. Das führt zu höheren Temperaturen als in ländlichen Gebieten. Der Verlust von Grünflächen verschärft dieses Problem zusätzlich. Ein Beispiel dafür ist der Temperaturrekord von 40,1 °C, der am 21. Juli 2022 in Hamburg-Neuwiedenthal erreicht wurde – ein Wert, der für Hamburg einst undenkbar schien! Obwohl in Hamburg ein maritimes Klima herrscht.
Im Vergleich dazu erlebte Prag, mit seinem kontinentalen Klima, im selben Jahr noch höhere Temperaturen. Dieses Klima zeichnet sich durch kältere Winter, wärmere Sommer und größere jährliche Temperaturschwankungen aus. Im Sommer 2022 wurden in Prag Temperaturen bis zu 45 °C gemessen. Solche extremen Wetterbedingungen unterstreichen die Notwendigkeit innovativer Lösungen, um den Herausforderungen des Klimawandels und der Urbanisierung entgegenzuwirken. Beide Beispiele zeigen, wie unterschiedliche Klimabedingungen wirken können.
Die extremen Temperaturen in Städten wie Hamburg und Prag sind ein klares Signal, dass Anpassungsstrategien an den Klimawandel und die Urbanisierung nicht nur wünschenswert, sondern unverzichtbar sind. Die Notwendigkeit, auf die steigenden Temperaturen und die daraus resultierenden Folgen für das städtische Leben zu reagieren, wird immer dringlicher. In diesem Kontext bieten Forschungen und Praxisbeispiele, wie sie in der BBC-Serie Future Planet vorgestellt werden, wertvolle Einblicke und Lösungsansätze. Die Serie zeigt auf, wie Grünflächen, Wasserwege und spezielle Straßenbeschichtungen zur Senkung der städtischen Temperaturen beitragen können.
Angesichts der globalen Erwärmung und der steigenden Zahl hitzebedingter Todesfälle wird die Entwicklung von Methoden zur Identifizierung von Hitze-Hotspots für Stadtplaner immer wichtiger. Europa verzeichnete im Jahr 2022 über 20.000 hitzebedingte Todesfälle. Vulnerable Bevölkerungsgruppen, wie Ältere, Kinder und Kranke sind besonders häufig betroffen. Das Vereinigte Königreich erlebte erstmalig Temperaturen über 40 °C, und in Spanien wurden im Juni bis zu 44 °C gemessen. Auch in den USA, beispielsweise in Texas, sind die Auswirkungen der Hitze spürbar. Studien belegen, dass Stadtgebiete, die einen maximal zehnminütigen Fußweg von einem Park entfernt sind, bis zu 3 °C kühler sein können als weiter entfernte Bereiche. Satellitenaufnahmen der Europäischen Space Agency (ESA) veranschaulichen die Temperaturunterschiede zwischen städtischen und natürlichen Gebieten.
Doktor Glynn Hulley, Atmosphärenwissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory der NASA und Leiter des Projekts Land Surface Temperature Monitoring Mission, nutzt hochauflösende Satellitendaten des Ecostress-Programms, um die Temperatur der Erdoberfläche auf globaler Ebene zu messen. Ziel des Programms ist es, Veränderungen in der Umwelt, insbesondere in städtischen Gebieten, zu beobachten und zu analysieren, um die Auswirkungen des Klimawandels besser zu verstehen. Dabei konzentriert sich das Programm besonders auf die Identifizierung von „Hitze-Hotspots“ und die Untersuchung von Wassermangel sowie landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen, um besonders heiße und verwundbare Bereiche zu identifizieren. Grünflächen und Gewässer korrelieren mit kühleren Temperaturen. Manchmal gibt es Temperaturunterschiede von bis zu 12 °C. Das Team von Dr. Hulley arbeitet beispielsweise eng mit dem örtlichen Stadtrat von Los Angeles zusammen, um gezielte Maßnahmen wie das Aufbringen einer speziellen kühlen Straßenbeschichtung in den heißesten Gebieten umzusetzen. Diese reflektiert die Sonneneinstrahlung, anstatt sie zu absorbieren. Diese Daten helfen, Hitze-Hotspots zu erkennen und die Effektivität von Abkühlungsmaßnahmen zu beurteilen.
Die Notwendigkeit, auf die Hitzewellen zu reagieren, spiegelt sich auch in Deutschland wider. Für Deutschland hat das Umweltbundesamt in einem bundesweiten Forschungsprojekt die Auswirkungen urbaner Hitze auf die menschliche Gesundheit untersucht. Seit den 1970er Jahren nehmen Hitzewellen in Deutschland zu, vor allem in städtischen Gebieten, wie die heißen Sommer der Jahre 2003, 2018, 2019 und 2022 zeigen.
Angesichts dieser Herausforderungen haben Städte weltweit begonnen, innovative Ansätze zur Minderung der urbanen Hitzebelastung zu implementieren. Eine solche Maßnahme ist das Konzept der Schwammstadt, das eine Schlüsselrolle in der urbanen Klimaresilienz spielt.
Der Begriff der doppelten Innenentwicklung betont die Notwendigkeit, bei der Nachverdichtung von städtischen Gebieten nicht nur auf die quantitative Verdichtung zu achten, sondern auch auf die qualitative Aufwertung. Dies bedeutet, dass die Schaffung von urbanem Grün eine entscheidende Rolle spielt. Bei der Entwicklung von Stadtvierteln und Wohngebieten sollte nicht nur an die Anzahl der Gebäude gedacht werden, sondern auch an die Integration von Grünflächen, Parks und anderen naturnahen Elementen. Dies trägt nicht nur zur Verbesserung der Lebensqualität der Bewohner bei, sondern auch zur Schaffung von ökologisch nachhaltigen und widerstandsfähigen urbanen Räumen. Die doppelte Innenentwicklung zielt darauf ab, Städte lebenswerter und gleichzeitig ökologisch verträglicher zu gestalten.
Schwammstädte: Grüne Wege zur urbanen Resilienz
Das Konzept der Schwammstadt leistet einen wesentlichen Beitrag zur Kühlung und zur Steigerung der Resilienz von Städten – also der Fähigkeit, auf Herausforderungen oder Krisen zu reagieren, sich anzupassen und gestärkt daraus hervorzugehen – indem es grüne Infrastrukturen nutzt. Eine Schwammstadt imitiert die Eigenschaften eines Schwamms, indem sie Regenwasser absorbiert, speichert und bei Bedarf dosiert freigibt, um Überschwemmungen zu verhindern und Wasservorräte zu ergänzen. Diese Analogie verdeutlicht, wie Städte Wasser effizient managen und so ihre Resilienz gegenüber Klimaextremen steigern können. Dieses Konzept wird weltweit in Städten wie Singapur, Berlin, Shenzhen, Melbourne und Rotterdam umgesetzt.
In Singapur, oft als „Gartenstadt“ bezeichnet, sorgen umfangreiche Grünflächen und vertikale Gärten für Verdunstungskühlung, die zur Senkung der städtischen Temperaturen beiträgt. Berlin mit seinen zahlreichen Parkanlagen und Baumreihen entlang der Straßen bietet Schatten, der die Hitzebelastung reduziert. Shenzhen in China, ein Vorreiter in Sachen Schwammstadt, nutzt durchlässige Pflasterungen, um sowohl die Wasseraufnahme zu verbessern als auch die Hitze zu reduzieren. Melbourne in Australien stärkt durch die Entwicklung von grünen Korridoren und Wassermanagementprojekten die städtische Biodiversität und ökologische Resilienz. Rotterdam in den Niederlanden hat innovative Wassermanagementstrategien implementiert, einschließlich Regenwassersammelsysteme und -speicher, die das Überschwemmungsrisiko verringern und die Stadt widerstandsfähiger gegenüber extremen Wetterereignissen machen.
Rotterdam gilt als weltweiter Vorreiter wenn es um die städtische Resilienz und Anpassung an den Klimawandel gilt. Die Stadt hat einen „Schwammgarten“ eingerichtet, um die Praktikabilität des Konzepts zu untersuchen. In diesem Garten werden verschiedene Experimente mit Bodenmischungen, Pflanzentypen und Schwammtechniken durchgeführt, einschließlich „Wadis“ (Wasserablauf- und Entwässerungskanäle) mit wasserliebenden Pflanzen, Rotterdam-Ton und Torfböden mit geeigneter Gartenvegetation sowie einem Entsteinungsgarten für trockenheitsliebende Pflanzen. Die Stadt sammelt überschüssiges Regenwasser auf innovative und nachhaltige Weise, beispielsweise in Wasserplätzen und unterirdischen Parkhäusern.
Melbourne auf der anderen Seite setzt auf grüne Systeme wie Regengärten und Feuchtgebiete, die die Stadt in einen effektiven Schwamm verwandeln. Diese Systeme sind darauf ausgelegt, Regenwasser durch Speicherung, Infiltration und verbesserte Verdunstung zu managen, und sie sind ein integraler Bestandteil von Australiens Konzept der wasserempfindlichen Stadtgestaltung. Mit über 2.500 installierten Systemen hat Melbourne bewiesen, wie effektiv grüne Infrastrukturen dabei helfen können, urbane Gebiete an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen.
Beide Städte zeigen, dass durch den Einsatz kreativer und nachhaltiger Strategien im Umgang mit Wasserressourcen und städtischer Planung, Städte nicht nur auf die Herausforderungen des Klimawandels reagieren, sondern auch zu lebenswerteren und gesünderen Orten für ihre Bewohner werden können.
Von der Betonwüste zum urbanen Wald: Bäume als Schlüssel zur Klimaresilienz
Stadtplaner reagieren auf die wachsenden Herausforderungen, die durch den Effekt der städtischen Hitzeinseln und die Notwendigkeit einer verbesserten Luftqualität entstehen, indem sie neuartige Lösungsansätze entwickeln. Zu diesen Ansätzen gehören die Wiedereinführung traditioneller Konzepte, wie das Anlegen von Schattenkorridoren entlang der Straßen, und die Implementierung moderner Strategien im Wassermanagement. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den steigenden Herausforderungen einer wachsenden Bevölkerungsdichte und anhaltenden Temperaturerhöhungen gerecht zu werden.
Diese innovativen Ansätze zur Bewältigung urbaner Hitze oder Luftqualitätsprobleme finden weltweit Anwendung, z, B. in Sevilla und Rotterdam. In Sevilla hat der Bürgermeister eine Schattenpolitik ins Leben gerufen die das Aufstellen von Sonnensegeln und das Pflanzen von jährlich 5.000 neuen Bäumen umfasst, ergänzt durch den Bau öffentlicher Brunnen. Rotterdam wiederum plant, über 900.000 Quadratmeter Dachfläche in grüne Bereiche umzuwandeln, um so die städtische Hitze zu reduzieren. In einem ähnlichen Kontext steht Atlanta in den Vereinigten Staaten vor vergleichbaren Herausforderungen. Die Stadt erlebte in diesem Sommer außergewöhnlich hohe Temperaturen, verschärft durch die urbane Bauweise und den geringen Baumbestand im Stadtzentrum. Wie Sevilla und Rotterdam verdeutlichen, könnte auch Atlanta von natürlichen Lösungen profitieren, um die Auswirkungen von Hitzewellen abzuschwächen.
Eine wichtige Differenzierung muss getroffen werden: Es ist das Eine, in Neubauten innovative Standards zu etablieren. Doch eine noch größere Herausforderung besteht im Umbau des bestehenden Gebäudebestands. In diesem Bereich sind die Möglichkeiten von Kommunen oft begrenzt, was die Umsetzung von nachhaltigen Maßnahmen erschwert. Zugleich repräsentiert der bereits vorhandene Gebäudebestand den überwiegenden Teil der städtischen Baustrukturen.
Bäume bieten zahlreiche Vorteile, darunter die Senkung der Umgebungstemperatur, Luftreinigung und Bereitstellung von Lebensräumen für Wildtiere. In Atlanta setzt sich die Organisation Trees Atlanta für den Schutz und die Neupflanzung von Bäumen ein. Dies ist besonders relevant, da Atlanta, oft als „Stadt im Wald“ bezeichnet (48 Prozent der Stadt sind bewaldet), aber seit 2014 rund 80.000 Stadtbäume verloren hat. USA-weit sind es rund 36 Millionen Bäume pro Jahr. Mit Bundesförderungen für Baumpflanzungen und lokalen Bemühungen wie Trees Atlanta wird versucht, dem Trend des Baumbestandsverlusts entgegenzuwirken. Bis heute hat Trees Atlanta über 150.000 Bäume gepflanzt und gepflegt. Um Standorte auszuwählen, verwendet die Organisation Karten, um die sozioökonomischen Bedingungen in den Nachbarschaften zu verstehen und engagiert sich mit den Gemeindemitgliedern, um deren Unterstützung zu gewinnen.
Doch ein Baum ist nicht gleich ein Baum. Viele kleinere Bäume, die derzeit beispielsweise aufgrund reduzierter Abstandsregelungen in Neubaugebieten gepflanzt werden, haben kaum eine mikroklimatische Wirkung. Einen bedeutenden Unterschied machen vor allem großkronige, alte Bäume, die aber im städtischen Raum immer seltener unterzubringen sind. Was ebenfalls problematisch ist: Bäume mit hohem Wasserabgabepotential über das Blattwerk geraten durch den Klimawandel stärker unter Stress. Klimaangepasste Bäume hingegen verdunsten kaum, was ihre Klimawirkung, die hauptsächlich auf Verdunstungskühle beruht, deutlich reduziert und sie vornehmlich auf den Schattenwurf beschränkt.
Kommunen stehen vor der Herausforderung, mit der Bewässerung von Stadtbäumen hinterher zu kommen. Die kleinen Pflanzbeete im urbanen Kontext erfordern zunehmend einen hohen Pflegeaufwand. Immer mehr Bäume gehen aufgrund der Extremhitze ein. Zudem kommt es zu einer Wasserkonkurrenz. Das Wasser wird oft direkt an den Kläranlagen entnommen. Trocknen dadurch die Vorfluter aus, hat das wiederum katastrophale Auswirkungen auf die Ökosysteme. Daher müssen zukünftig vermehrt Maßnahmen ergriffen werden, um Wasser lokal zu speichern und somit die Ökosysteme und die städtische Begrünung nachhaltig zu unterstützen.
Das Engagement in Atlanta reflektiert die globalen Bemühungen, die Auswirkungen des Klimawandels in städtischen Gebieten zu mildern. Ähnlich wie Sevilla und Rotterdam zeigt Atlanta, dass Bäume eine entscheidende Rolle in der Anpassung an und Milderung der Auswirkungen des Klimawandels spielen. In Athen fokussiert sich das Engagement auf die Restaurierung eines antiken römischen Aquädukts, wodurch die Wasserversorgung der Stadt unterstützt wird. Parallel dazu werden in der griechischen Gemeinde Acharnes Projekte wie kühle Dächer und Gehwege erprobt, die vielversprechende Ergebnisse im Kampf gegen urbane Hitze zeigen.
Vertikales Grün als ein Baustein für kühlere Städte
Neben den Bemühungen um Baumpflanzungen und städtische Wassermanagementprojekte, wie in Atlanta und Athen beobachtet, stellt die Fassadenbegrünung eine weitere innovative Strategie dar. Diese Konzepte erweitern die Bepflanzung um die vertikale Dimension und leistet so einen wichtigen Beitrag zur städtischen Temperaturregulierung. Hierzu werden speziell Kletterpflanzen, wie Efeu und wilder Wein, die für ihr robustes und schnelles Wachstum an vertikalen Oberflächen bekannt sind, ausgewählt. Diese Pflanzen verbessern nicht nur das städtische Mikroklima und bieten ästhetische Vorteile, sondern schaffen auch Lebensraum für Insekten und Vögel. Ihre Anpassungsfähigkeit an raue Umgebungen macht sie ideal für städtische Bereiche, wo sie effektiv zur Reduzierung der Luftverschmutzung beitragen.
Diese Art der vertikalen Begrünung kann, ähnlich wie Bäume, zur Verringerung des Wärmeinseleffekts in Städten beitragen. Durch die Kombination von Bäumen und begrünten Fassaden wird ein synergetischer Effekt erzielt, der das städtische Klima positiv beeinflussen kann. Somit ergänzen sich beide Ansätze ideal, um die Lebensqualität in städtischen Gebieten nachhaltig zu verbessern. Pflanzen an Gebäudefassaden können dabei helfen, die Umgebungstemperatur zu senken, indem sie durch den Prozess der Evapotranspiration Kühlung bieten. Zudem wirken Pflanzen geräuschdämpfend. Sie absorbieren Schallwellen und können so zur Lärmminderung in dicht bebauten Stadtgebieten beitragen. Grüne Fassaden bieten Lebensraum für urbane Tierarten wie Insekten und Vögel und fördern so die biologische Vielfalt in der Stadt. Pflanzen verbessern zudem die Luftqualität, indem sie Staub und Schadstoffe filtern und Sauerstoff produzieren.
Einige Städte machen vor wie es geht. So wie in einem Pilotprojekt im City Tunnel in Darmstadt. Die Initiative Essbare Stadt Darmstadt e.V. hatte 2022 angeregt, im Tunnel Pflanzen zur Verbesserung der Luftqualität und als Lärmschutz in städtischen, belasteten Umgebungen einzusetzen. Eine Wand von vier auf 16 Metern wurde bepflanzt und mit einem automatischen Bewässerungssystem sowie energiesparender LED-Beleuchtung ausgestattet. Schon während der Pilotlaufzeit wurde festgestellt, dass die Pflanzen Schadstoffe wie Feinstaub, Stickoxide sowie Reifen- und Bremsabrieb aufnehmen und auch zu einer Reduktion des Lärms beitragen. Trotz des positiven Befunds, plant die Stadt Darmstadt aktuell keine Ausweitung auf andere Tunnel. Begründet wird dies mit dem hohen Aufwand und den damit verbundenen Kosten. Gleichwohl möchte die Stadt Darmstadt die Ergebnisse nutzen, um Vorbehalte gegenüber grüner Fassaden bei Neubauten abzubauen.
In Singapur, bekannt für seine Vorreiterrolle in Sachen städtischer Begrünung, wurde die Fassade des Oasia Hotels Downtown begrünt. Die Fassade des sogenannten „lebenden Hochhauses“ besteht aus einer Vielzahl einheimischer Arten und trägt dazu bei, die Luft zu reinigen, die biologische Vielfalt zu erhöhen und als grüne Lunge inmitten der dicht bebauten Stadt zu wirken. Die Pflanzen bieten Lebensraum für Insekten und Vögel und tragen zur Verbesserung des Mikroklimas in der unmittelbaren Umgebung bei. Zudem fungieren die Pflanzen als natürliche Sonnenschirme, welche die direkte Sonneneinstrahlung filtern und so die Gebäudeoberflächentemperatur reduzieren.Patrick Blanc, ein Botaniker aus Frankreich, verfeinerte dieses Konzept und verwandelte die Fassaden des Madrider Caixa Forums sowie des Pariser Musée du Quai Branly in lebende Gemälde, reich an diversen Pflanzenspezies.
Im Kontext der städtischen Ökologie zeichnet Stefano Boeri mit den Bosco Verticale in Mailand eine zukunftsorientierte Vision: Hochhäuser, die gleichsam Wälder vertikal in den Himmel wachsen lassen, in denen 20.000 Pflanzen und 800 Bäume trotzen den Herausforderungen urbaner Klimaverhältnisse. Diese sorgsam ausgewählten Gewächse – von Ranken bis zu Eichen – müssen eine erhöhte Sonnenexposition, Windlasten und Wasserverluste in schwindelnder Höhe überstehen. Derlei innovative Grünfassaden könnten sich als essentiell für die Minderung des urbanen Wärmeinsel-Effekts erweisen, indem sie als natürliche Klimaanlagen fungieren. So wird der grüne Bau zu einem Eckpfeiler der Ressourcenschonung und der CO2-Reduzierung, einem Aspekt, der in dicht bevölkerten Arealen wie dem Rhein-Ruhr-Gebiet oder Frankfurt am Main zunehmend in die Realität städtischer Planungskonzepte Einzug hält.
In Düsseldorf entsteht mit dem Kö-Bogen II ein architektonisches Großprojekt, das zugleich Europas größte Grünfassade mit 30.000 Hainbuchen darstellt. Diese innovative städtebauliche Entwicklung, geplant von ingenhoven architects und entwickelt von CENTRUM und B&L Gruppe, setzt neue Maßstäbe im Klimaschutz und in der Stadtplanung. Die Hainbuchenhecken entsprechen in ihrer klimatischen Wirkung 80 großen Laubbäumen und sorgen für Abkühlung, Luftreinigung und Feinstaubbindung. Das Projekt ist Teil einer umfassenden Neugestaltung im Zentrum Düsseldorfs, die nicht nur das Stadtbild durch markante Architektur bereichert, sondern auch eine nachhaltige, grüne Umgebung schafft, die das urbane Klima verbessert. Mit diesem Ansatz leistet Kö-Bogen II einen wesentlichen Beitrag zu einer klimafreundlicheren Zukunft der Städte.
Lessons learned
Im Jahre 1978 hat Friedensreich Hundertwasser die Fassade der Banca Catalana in Barcelona mit einem wandbegrünten Garten neu definiert. Diese Symbiose von Flora und Bauwerk ist jedoch kein Novum der Moderne, vielmehr ist sie eine Renaissance des Dialogs zwischen Mensch und Natur, wie es der italienische Architekt und Designer Matteo Thun als eine Rückkehr zur essentiellen Normalität deutet:
Wir sehen die Natur als integralen Bestandteil unserer Architektur und Innenarchitektur. Naturstein, Holz und Grünflächen – innen und außen – prägen unsere Arbeit. Statt sie zu zwingen, dort zu wachsen wo sie nicht hingehört, zollen wir der Natur Tribut. Wir lassen ihr Raum und Zeit sich natürlich zu entwickeln. Wir nennen dies botanische Architektur.
Matteo Thun
Aus den betrachteten Fallstudien resilienter Städte lernen wir, dass Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Innovationsbereitschaft Schlüsselelemente für die Bewältigung städtischer Herausforderungen sind. Für Neubauten bedeutet dies, dass Investoren verstärkt Vorgaben hinsichtlich Nachhaltigkeit und Resilienz einhalten sollten. Im Bestand liegt der Fokus auf einem klimaaktiven Umbau, wobei eine doppelte Innenentwicklung als Schlüssellösung dient. Städte müssen sich im Sinne der Nachhaltigkeit verdichten, um der Zersiedelung (Urban Sprawl) entgegenzuwirken, sollten dabei jedoch gleichzeitig grüner und klimaaktiver werden. Die Integration grüner Infrastruktur und der Einsatz nachhaltiger Technologien spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Ebenso wichtig ist die Einbeziehung der Gemeinschaft, um eine resiliente Stadtentwicklung zu fördern. Diese Ansätze zeigen, dass es möglich ist, Städte dichter und gleichzeitig umweltfreundlicher zu gestalten, wie viele der betrachteten Beispiele beweisen. Diese Erkenntnisse betonen die Wichtigkeit einer vorausschauenden und ganzheitlichen Stadtplanung, die sowohl ökologische als auch soziale Aspekte berücksichtigt.
Valentin Gauß ist Mobilitätsexperte, der sich leidenschaftlich mit nachhaltiger, vernetzter und digitaler Fortbewegung sowie Fragen der künftigen Energieversorgung und Stadt von Morgen beschäftigt. Bereits im Studium in Heidelberg entwickelte er eine Leidenschaft für dynamische gesellschaftliche Veränderungen. Ihn begeistern die sich daraus ergebenen Möglichkeiten. Als Referent eines Ministers analysierte er komplexe Themen und gewann wertvolle Einblicke in politische Entscheidungsprozesse. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert er sich bei Rotary und ist ein begeisterter Netzwerker, der es versteht, Personen und Themen miteinander zu verbinden, um innovative Lösungen voranzutreiben.