Aus der Luft gegriffen? Wie technische Prozesse zu negativen Emissionen beitragen können

Möchten wir uns einen lebenswerten Planeten erhalten, müssen wir verstärkt Anstrengungen unternehmen, um den CO2 -Gehalt in der Atmosphäre zu begrenzen. Dabei führt kein Weg an der schnellen Reduzierung von Treibhausgasen vorbei, darüber sind sich alle einig. Daneben ist es aber auch geboten, Möglichkeiten zur Bindung und Speicherung von Kohlendioxid auszuloten. Auch technische Verfahren wie CCS werden in der Zukunft ein wichtiger Baustein für negative Emissionen sein.

von Daniel Belling

Lesedauer 11 Min.

Das Pariser Klimaabkommen von 2015 gibt vor, die Erderhitzung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf unter zwei Grad zu beschränken. Mit ein paar Jahren Abstand und dem gegenwärtigen Trend wird deutlich, dass wir weit weg davon sind, die für die Vertragsstaaten verbindlichen Ziele des Abkommens auch nur annähernd zu erreichen. Mehr Anstrengung ist nötig, um die Treibhausgase in dem Maße zu senken, dass wir uns einen lebenswerten Planeten erhalten können.

Das Bekenntnis zur Klimaneutralität ist die erste und wichtigste politische Antwort auf die Pariser Klimaziele. Dazu gehört, einen Zielkorridor zu definieren und Wege zu beschreiben, wie man schrittweise die Treibhausgase reduzieren wird. So besteht im Rahmen der National Determined Contributions (NDC) die Verpflichtung, dass jeder Vertragsstaat den Vereinten Nationen alle fünf Jahre den Stand der nationalen Bemühungen zum Klimaschutz berichtet. In Deutschland sieht das Klimaschutzgesetz des Bundes vor, dass im Jahr 2030 65 Prozent weniger CO2 als noch 1990 emittiert wird. Weitere fünfzehn Jahre später, im Jahr 2045, soll dann die Klimaneutralität erreicht sein. Um diese Zielmarken zu erreichen, legte die Bundesregierung zuletzt ein Paket mit 130 Einzelmaßnahmen vor, die über die Sektoren hinweg den Reduktionspfad beschreiben sollen.

Auch wenn die Ampel-Regierung das Klimaschutzgesetz letzten Sommer ohne Not geschwächt hat, bleibt das Gesetz ein starkes Schwert im Kampf gegen den Klimawandel und ein Gradmesser des Regierungshandelns beim Klimaschutz. Es leitet aus dem Fernziel der Klimaneutralität jährliche Minderungsziele für einzelne Sektoren ab, etwa für die Energiewirtschaft, den Verkehrssektor oder die Landwirtschaft, und benennt die Bundesministerien als politisch verantwortliche Ressorts für die Einhaltung der Ziele. An dieser Stelle hat die Wissenschaft eine Kontrollfunktion gegenüber der Politik. So äußerte sich der Expertenrat für Klimafragen im November, zusammen mit dem Umweltbundesamt, dass das vorgelegte Klimaschutzprogramm der Bundesregierung zwar die Zielmarke für 2030 (minus 65 Prozent) trifft. Bis dahin werden allerdings 331 Mio. Tonnen CO2 zu viel ausgestoßen.

Wege zur Klimaneutralität

Für eine Bewertung der Klimamaßnahmen insgesamt hat sich das Konzept des globalen Klimabudgets durchgesetzt. Es erlaubt eine nachvollziehbare, ganzheitliche Betrachtung auf wissenschaftlicher Basis, denn es beziffert die in der Atmosphäre befindliche Menge an Treibhausgasen. Im Zusammenspiel mit den komplexen Modellen der Klimaforscher gibt es dem politisch getroffenen Zwei-Grad-Ziel eine wissenschaftliche Grundierung. Auf dieser Grundlage fordert auch der Weltklimarat, nicht nur auf eine Reduktion der Emissionen zu blicken, sondern die Reduktion der Treibhausgase in der Atmosphäre insgesamt zu forcieren.

Was sich zunächst wie ein semantischer Unterschied anhört, hat faktische Konsequenzen in der Art, wie wir auf Klimaschutz blicken: der Einbringung von Treibhausgasen wie CO2, Methan oder auch Lachgas, steht deren Entnahme bzw. der natürliche Zerfall dieser Moleküle gegenüber. Hier kommt CO2-Senken eine wichtige Bedeutung zu. Sie sind natürliche Reservoirs, die mehr Kohlenstoffdioxid binden können als sie abgeben. Dazu zählen der Ozean und die Biosphäre an Land, aber eben auch die Atmosphäre (doch geht es beim Klimaschutz ja gerade darum, dieser Senke keine weiteren Treibhausgase zuzuführen).

In Ozeanen reagiert der Kohlenstoffdioxid mit Wassermolekülen und wird als Kohlensäure vom Salzwasser gespeichert. An Land können Pflanzen durch Photosynthese CO2 binden und einlagern, im Gegenzug wird Sauerstoff erzeugt und ausgebracht. Ebenso wird bei der Verwitterung von Gestein, etwa beim Auswaschen von Calcium oder Basalt von Felswänden durch Regen, das Kohlendioxid natürlich gebunden. Auch hier gibt es vielversprechende Ansätze. Ein über vier Jahre ausgelegtes Experiment in den USA hat gezeigt, dass das Ausbringen von Basaltgestein auf Äckern nicht nur das Wachstum der Pflanzen verbessern kann. Es kann auch eine nicht unerhebliche Menge an CO2 speichern.

Doch die Kapazität zur organischen Bindung des bedeutendsten Treibhausgases hat Grenzen. Setzt man die Menge an CO2, welches durch natürliche Prozesse gebunden wird, ins Verhältnis zur jährlich emittierten Menge, sieht man eine beträchtliche Lücke: Der Ozean kann jährlich etwa 2,8 Gigatonnen CO2 binden, bei Senken an Land sind es etwa 3,3 Gigatonnen. Demgegenüber steht eine globale Emission von Kohlenstoffdioxid in der Größenordnung von 37,5 Gigatonnen im vergangenen Jahr – so viel wie zu keinem anderen Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte. Angesichts dieser drastischen Lücke wird klar, dass natürliche Prozesse zur Einlagerung des Klimagases in Senken nicht ausreichen werden. 

Vor diesem Hintergrund sind auch Projekte zur Wiederaufforstung zwar sinnvolle, wenn auch kleinteilige Maßnahmen für den Klimaschutz. Sie tragen nur geringfügig und mit Verzögerung zu Negativemissionen bei, denn es dauert Jahre, bis gepflanzte Bäume CO2 im großen Stil der Atmosphäre entziehen können. Die Wiederaufforstung kommt zudem schlichtweg aufgrund des Flächenbedarfs an eine Grenze.

Es ist daher nötig, zusätzlich die Anwendung von technischen Lösungen in Betracht zu ziehen. Geht es um Klimaschutz im Alltag, haben wir zum großen Teil einen Weg eingeschlagen, der darauf setzt, Emissionen mit der Hilfe technologischer Entwicklungen herunterzufahren. Wir setzen auf Elektromobilität statt mit dem Verbrenner zu fahren. Unsere Gebäude sind mit PV-Anlagen ausgestattet und werden künftig nicht mehr mit Öl und Gas beheizt, sondern mit effizienten Wärmepumpen. In der Landwirtschaft kommen künftig immer ausgefeiltere Technologien zum Tragen, die die Bewirtschaftung von Feldern effizienter machen. Die Frage drängt sich also auf: Wieso sollten wir nicht auch bei der Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf technologische Verfahren setzen?

Eine Reise in die Zukunft der Kohlenstoffentnahme

An zwei Orten, die nicht unterschiedlicher sein könnten, entscheidet sich, ob die künstliche Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre eine Zukunft hat. In beiden Fällen steckt die Entwicklung noch in den Kinderschuhen, doch ist schon erkennbar, worin die Grenzen und Potentiale der Technologien liegen.

Hellisheiði, ein Hochplateau im Südwesten Islands. Das dortige Geothermalkraftwerk versorgt die isländische Hauptstadt mit heißem Wasser, außerdem wird der vom vulkanischen Untergrund aufsteigende Wasserdampf zur Stromproduktion gewonnen. Zusammen mit dem Wasserdampf steigt CO2 auf, doch wird dieses abgeschieden, mit Wasser vermischt und in das Basaltgestein 700 Meter tief eingeleitet. Das ist tief genug, dass der Kohlenstoff im Basalt durch eine natürliche chemische Reaktion als Calcit gebunden wird. Die so entstehenden Mineralien halten das CO2 für Jahrtausende gespeichert.

Dieses Verfahren wird als Carbon Capture and Storage, kurz CCS, bezeichnet. Wird das CO2 dabei direkt an der Quelle abgeschieden, funktioniert das ähnlich einem Filter in industriellen Anlagen für andere belastende Gase. Die Konzentration an CO2-Molekülen in den Abgasen liegt je nach Anlage bei bis zu 15 Prozent. Der zweite Schritt besteht darin, das CO2 so in einer natürlichen Senke einzulagern, dass dieses nicht entweichen kann, auch dann nicht, wenn sich die klimatischen und natürlichen Bedingungen ändern. In Hellisheiði hat man es geschafft, etwa ein Drittel des geothermisch anfallenden CO2 wieder einzufangen und im Gestein zu binden.

Seit 2017 steht in Hellisheiði auch die größte Anlage zur Abscheidung von CO2 aus der Umgebungsluft, ein Verfahren, das als Direct Air Capture bezeichnet wird. Große Gebläse ziehen hier die Luft an und leiten sie einem alkalischen Lösungsmittel zu, welches durch eine chemische Reaktion das Kohlenstoffdioxid aus dem Gemisch heraustrennen kann. Pro Jahr kann die Anlage damit bis zu 4000 Tonnen des Treibhausgases der Luft entziehen.

Einmal über den Atlantik, über dreizehn tausend Kilometer weiter südlich, wird an einer anderen Technologie gearbeitet. Dort, im südlichen Patagonien, unweit der chilenischen Kleinstadt Punta Arenas, wurde 2021 der Grundstein für das Haru Oni-Kraftwerk gelegt, welches künftig die klimaneutrale Produktion von synthetischen Kraftstoffen in großem Stil ermöglichen soll. Zunächst wird durch Elektrolyse Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Der sehr energieaufwendige Vorgang der Elektrolyse wird durch eine riesige Windkraftanlage auf dem Gelände emissionsfrei vorangetrieben. Im Anschluss muss der Wasserstoff mit synthetischem Methanol reagieren, weshalb hier der Einsatz von CO2 benötigt wird. Das Endprodukt ist ein verflüssigter Kraftstoff, der in vielen Bereichen, besonders aber in der Mobilität, zum Einsatz kommen kann. Die Projektpartner Porsche und Siemens Energy möchten den Ertrag an diesen E-Fuels in mehreren Schritten bis 2026 auf bis zu 550 Millionen Liter steigern.

Auch im Haru Oni-Kraftwerk möchte man CO2 direkt aus der Luft gewinnen. Anders als im fernen Island wird hier der Kohlenstoff aber nicht gespeichert, sondern als Rohstoff in den Produktionskreislauf zurückgeführt. Carbon Capture and Usage (CCU) ist ein Weg, im besten Fall den Kreislauf zu schließen und klimaneutral zu machen. Werden E-Fuels an anderer Stelle als Kraftstoff verbrannt, etwa in Kraftfahrzeugen, Flugzeugen oder Schiffen, wird das CO2 schließlich wieder emittiert.

Was haben die beiden Projekte gemeinsam? Sie befinden sich an Orten, die auf ihre Weise extrem sind, an denen die Naturgewalten freies Spiel haben. Auf Island ist das die Kraft der Vulkane, eine quasi unerschöpfliche Energiequelle, die die Insel bei der Energieproduktion weitestgehend autark macht. In Patagonien macht die Kraft des Windes den entscheidenden Unterschied. Die Westwinde wehen hier, zwischen dem 40. und 50. südlichen Breitengrad, auch aufgrund der flachen Topographie, besonders stark. Der enorme Strombedarf kann also durch eine große Windkraftanlage gedeckt werden. Beide sind damit ideale Orte, um besonders energieintensive Umwandlungsprozesse zu testen. Denn das markiert die bislang größte Hürde in der Anwendung der neuen Verfahren.

Mit technischen Verfahren zu negativen Emissionen

Die physikalischen Hürden für den Einsatz von Verfahren zur Entfernung und Speicherung von Kohlenstoff sind noch gewaltig, aber nicht unüberwindbar. Mit verbesserter Technik, effizienteren Prozessen und einem voranschreitenden Ausbau regenerativer Energien könnten CCS und CCU auch in anderen Regionen der Welt wirtschaftlich werden.

Entscheidend für den Klimaschutz wird sein, dass es in der Anwendung der Technologien faktisch zu Negativemissionen kommt, also mehr Kohlenstoff der Atmosphäre durch das Verfahren entnommen als zugefügt wird. Denn nur so ist es möglich, den Klimawandel zu bremsen und die Klimaziele von Paris doch noch zu erreichen. So findet sich auch in den Modellen des Weltklimarats für alle Projektionen hin zu Netto-Null Emissionen der Einsatz von CCS, also dem Verfahren zur Abscheidung und Speicherung des CO2. Der sehr begrenzte Einsatz von CCS schlägt sich gegenwärtig fast gar nicht in der globalen Klimabilanz nieder. Für die Zukunft rechnet der Weltklimarat hingegen damit, dass wir ohne diese künstlich geschaffenen Kohlenstoffsenken das globale Klimasystem nicht stabilisieren können.

Mit der Bindung von Kohlenstoffdioxid stellt sich die Frage, was mit dem Kohlendioxid im nächsten Schritt passiert. Wird das Kohlendioxid direkt aus einem Industrieprozess heraus aufgefangen, also direkt an der Quelle, ist das zwar einfacher, denn die Menge an CO2-Partikeln in den Abgasen ist viel höher als die der Umgebungsluft. Doch verhindert das zunächst nur, dass das Treibhausgas direkt in die Atmosphäre emittiert wird. Eine Speicherung, wie bei CCS vorgesehen, entspräche einem CO2-Recycling, das in der Summe eher ein Weg der Kompensation ist, ohne einen echten Effekt auf das globale Klimabudget zu haben. 

Die Senkung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre ist nur dann gewährleistet, wenn das Kohlenstoffdioxid aus der Umgebungsluft entnommen und dauerhaft gespeichert wird. Deshalb ist das Direct Air Capture-Verfahren so wichtig, denn es kann wie eine Art Staubsauger den Kohlenstoff einsammeln, der sich bereits in der Atmosphäre befindet. Einmal emittiertes Kohlenstoff wieder zurückzuholen, die Kohlenstoffmoleküle herauszufiltern und zu binden, ist energieintensiv, denn die Konzentration an CO2-Partikeln in der Luft ist sehr gering – sie liegt gerade einmal bei 0,04 Prozent (etwa eines von 2500 Gasmolekülen). Um letztlich eine positive Klimawirkung zu haben, muss das physikalisch-chemische Verfahren mehr Kohlenstoff entnehmen können, als an fossiler Energie eingesetzt wird, um den Umwandlungsprozess anzustoßen. Die Kombination aus dem Direct Air Capture-Verfahren mit anschließender permanenter Speicherung wird als DACCS bezeichnet und bietet eine mögliche technologische Lösung für negative Emissionen. Das Kraftwerk in Hellisheiði zeichnet hier den Weg vor.

Die technische Herausforderung des Direct Air Capture lässt sich dadurch umgehen, indem man sich den natürlichen Prozess der Photosynthese zunutze macht. So kann man bei der Energiegewinnung aus organischem Material das freigesetzte CO2 direkt an der Quelle einfangen und schließlich speichern. Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung, kurz BECCS, ist ein weiteres Verfahren mit großem Potential für negative Emissionen. Schließlich ist es schnell einsetzbar, denn die Biomasse als Energieträger fällt jährlich an. Die Einschätzung zum Beitrag von BECCS zum Klimaschutz variiert stark, das wohl optimistischste Szenario geht von einer jährlichen Entnahme von 40 Gt CO2 aus der Atmosphäre aus, was höher wäre, als die jährlichen weltweiten Gesamtemissionen. Doch sollte BECCS einen nennenswerten Beitrag leisten, müssten auf vielen Flächen Energiepflanzen wie etwa Mais angepflanzt werden, was die Biodiversität stark beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass sich durch den Anbau die ohnehin starke Flächenkonkurrenz verschärfen würde, mit der Folge, dass die Ernährungssicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Je nach lokalen Bedingungen kann eine Anwendung aber trotzdem sinnvoll sein.

Sowohl bei DACCS als auch bei BECCS gilt, dass für einen Effekt in Richtung der Netto-Null-Emissionen kein Weg an einer permanenten Speicherung des Kohlenstoffs vorbei führt. Dabei muss garantiert werden, dass das CO2 vollständig und dauerhaft gebunden bleibt und es nicht zu Leckagen kommt. Der Fokus der Forschungstätigkeit wie beim Pilotprojekt auf Island liegt auf der geologischen Speicherung in Gestein, das mit Kohlenstoff reagiert und es so binden kann, wobei für die Einbringung und Reaktion des CO2 mit dem Basaltgestein große Mengen an Wasser eingesetzt werden. Auch auf hoher See finden sich große, für die Speicherung geeignete geologische Lagerstätten. So plant der Konzern Heidelberg Materials, bei dem durch die Zementherstellung besonders viel CO2 anfällt, durch eine Pipeline verflüssigtes CO2 in das Gestein am Meeresgrund der Nordsee zu verpressen.

Die Politik macht hierfür bereits den Weg frei, unterstützt von Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und des Deutschen GeoForschungszentrums (GFZ). Das zeigt, dass die großen Potentiale der CO2-Speicherung mittlerweile von großen Teilen der Wissenschaft gesehen werden, wenn auch das Umweltbundesamt vorsorglich auf mögliche Risiken bei der Verpressung hinweist. Und auch der erwartbaren Kritik seitens der Umweltverbände zum Trotz ist der Weg bereits vorgezeichnet. Mit einem effektiven Monitoring, also der technischen Überwachung der Lagerstätten, und weiteren Fortschritten in der Erforschung der dauerhaften Speicherung werden wir zu einem Punkt kommen, der es uns ermöglicht, mit einem großen Maß an Sicherheit auch für die lokale Umwelt der Lagerstätten CO2 abzulagern.

Technologien richtig einsetzen

In jüngster Vergangenheit hat sich gezeigt, dass vermeintliche Zukunftstechnologien die sinnvolle Umstellung auf tatsächlich klimafreundliche und dazu noch wirtschaftliche Technologien erschweren können. Man sieht das sehr gut an der Diskussion um die E-Fuels, den synthetischen Kraftstoffen, in denen CO2 gebunden ist, welches bei der Verbrennung wieder ausgestoßen wird. Dabei steht fest: im Kraftfahrzeugverkehr und in vielen Bereichen des Gütertransports an Land sind E-Fuels schlichtweg unwirtschaftlich und ein großflächiger Einsatz ist aufgrund des hohen Energiebedarfs fraglich. E-Fuels sind so etwas wie Champagner unter den Kraftstoffen. Trotzdem lassen manche Politiker wider besseren Wissens selbst dann nicht von dieser Idee, wenn sich die gesamte Autobranche bereits zur Elektromobilität im Individualverkehr bekannt hat.

Wird dadurch ein CCU-Projekt wie das am Haru Oni-Kraftwerk in Patagonien bedeutungslos? Tatsache ist, dass beim Carbon Capture and Usage-Verfahren das CO2 nur temporär etwa als synthetischer Kraftstoff gespeichert und später (am Fahrzeug) wieder emittiert wird. CCU leistet damit zunächst keinen Beitrag zum Klimaschutz. Dennoch gibt es genügend Bereiche, in denen wir künftig etwa auf die Verwendung von E-Fuels angewiesen sein werden, besonders im Schwerlastverkehr, beim Fliegen oder der Containerschifffahrt. Dazu kommt, dass das Haru Oni-Kraftwerk als Pilotprojekt die Entwicklung des Direct Air Capture-Verfahrens weiter treiben kann und so neue Erkenntnisse zu dieser Technologie gewonnen werden.

Im Gegensatz zu den Debatten rund um die Atomkraft speist sich die Technologieskepsis heute nicht so sehr aus den Gefahren, die mit der Technologie selbst einhergehen. Die eigentlichen Herausforderungen resultieren aus der Auseinandersetzung um die richtige Anwendung der Technologie. Die Frage ist nicht, ob diese zum Einsatz kommen, sondern wann und mit welchem Ziel, wie es auch der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung (WBGU) vorsichtig zum Ausdruck gebracht hat. Sicher ist, dass die Begrenzung der Kohlendioxid-Emissionen die wichtigste Strategie beim Kampf gegen den Klimawandel bleibt. Je weniger uns das aber gelingt, je länger wir die Transformation aufschieben, desto intensiver müsste später der Einsatz von CCS-Verfahren sein.

Technologieoffen zu sein heißt, die Industrie in einem geordneten Rahmen Technologien entwickeln zu lassen. Kombiniert mit einem klaren ordnungspolitischen Rahmen und einer CO2-Steuer kann und sollte der Staat eine lenkende Wirkung auf die Entwicklung dieser Verfahren nehmen. Lange hat sich die Politik davor gehütet, dieses Thema zu adressieren, doch gibt es jetzt Bewegung. Das grün-geführte Wirtschaftsministerium hat Anfang des Jahres eine Strategie präsentiert, die die Entwicklung dieser Technologien rechtlich ermöglichen soll. Schon im Koalitionsvertrag bekennt sich die Ampel-Regierung zur Notwendigkeit von „technischen Negativemissionen“.

Der Fokus liegt darauf, dass künftig schwer vermeidbare Emissionen aus der Industrie und der Abfallwirtschaft ausgeglichen werden können, am besten durch eine direkte Abscheidung an der Quelle. Die technischen Verfahren dürfen deshalb auch nicht den Hochlauf von auf regenerativen Quellen basierenden Technologien hinauszögern. Der Einsatz von CO2 als Rohstoff in einem Wertschöpfungsprozess kann dann eine sinnvolle Alternative sein, wenn ein Umstieg auf emissionsfreie Prozesse an harte physikalische Grenzen stößt.

Das Argument, dass die Technologien noch weit davon entfernt sind, einen effektiven Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten, ist nicht entscheidend. Denn jede Technologie hat einmal in einer Nische angefangen und sich dann mit großen Schritten entwickelt. Wäre das der Maßstab, dann wäre uns heute auch die Photovoltaik oder die E-Mobilität fremd. Wir wissen also aus der Vergangenheit, dass die Entwicklung von Technologien große Schritte machen kann, bis hin zu dem Punkt, an dem einer weiteren Effizienzsteigerung physikalische Grenzen entgegengesetzt werden. Auch in der Anwendung kann mit dem richtigen politischen Zutun für eine (exponentielle) schnelle Verbreitung gesorgt werden.

Es gilt anzuerkennen, dass wir Verfahren zur Bindung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid in der nahen Zukunft brauchen, schon allein um die CO2-Emissionen auszugleichen, die unvermeidbar anfallen. So sehr Projekte zu unterstützen sind, bei denen natürliche Senkenfunktionen gestärkt werden können, wie etwa zur Wiederaufforstung von Wäldern. Wichtig ist es, parallel dazu Technologien für Negativemissionen weiter zu erproben, mit dem Ziel, diese Verfahren später im großen Maßstab einsetzen zu können. Heute schon allein auf Technologien zu setzen, die nicht ausgereift sind, wäre ein Fehler. Sie weiterzuentwickeln ist dennoch richtig.

Dr. Daniel Belling engagiert sich auf kommunaler und Landesebene für grüne Politik. Nach seiner Promotion in England war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Weltklimarat und beim Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) tätig. Sein Interesse gilt klimafreundlichen Innovationen, dem digitalen Wandel und einer nachhaltigen Finanzpolitik. Er setzt sich für eine durchdachte Ordnungspolitik mit dem Ziel der Dekarbonisierung und Ressourcenschonung ein.